Große vokale und instrumentale Musik Geschenke Johann Sebastian Bachs - mit Andreas Scholl

Small Gifts

Erscheinungsdatum

2017

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Besetzung:

Dorothee Oberlinger, Blockflöte und Leitung
Andreas Scholl,Countertenor

Ensemble 1700

Wolfgang Gaisböck, Trompete
Alfredo Bernardini, Barockoboe
Lorenzo Cavasanti, Bf2
Dmitry Sinkovski, Konzertmeister und Solovioline
Christian Voss, Vl 1
Liana Mosca, Vl1
Evgeny Sviridov, Stimmführer Vll.
Jonas Zschenderlein, V2
Adrian Bleyer, V2
Manuel Hofer, Viola  
Marco Testori, Violoncello
Riccardo Coelati Rama, Kontrabass
Axel Wolf, Laute
Olga Watts, Cembalo / Orgel

Johann Sebastian Bach (1685–1750):

Cantata BWV 81 (1724): „Jesus schläft,was soll ich hoffen“
Brandenburg Concerto No. 4  in G major BWV 1049 (1720)
Solo Cantata BWV 170 (1726): „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“
Concerto for fourth flute, strings and basso continuo  after the harpsichord concerto in F minor BWV 1056 (1738)                            
Cantata BWV 182 (1714): „Himmelskönig, sei willkommen“                     
Brandenburg Concerto No. 2  in F major BWV 1047 (1720)                        
Cantata BWV 119 (1723): „Preise, Jerusalem, den Herrn“           
Cantata BWV 147 (1723) : „Herzund Mund und Tat und Leben“

Als "kleine Gaben“, die ihm der Himmel geschenkt habe, bezeichnete Johann Sebastian Bach inder Widmungspartitur seine "Brandenburgischen Konzerte“ an den Markgrafen Christian-Ludwig.

Unter dem Titel„small gifts“ haben nun Dorothee Oberlinger und Andreas Scholl, zwei Stars derAlten Musik-Szene, mit dem Ensemble 1700 ein reines Bachprogramm mit Vokal- und Instrumentalkompositionen eingespielt, das Bachs musikalische Rhetorikvielfältig aufleben lässt.

Die Brandenburgischen Konzerte Nr. 2 und 4 mit weiteren Solisten wie Dmitry Sinkovsky (Solovioline),Alfredo Bernardini (Oboe), Wolfgang Gaisböck (Trompete) und Lorenzo Cavasanti(Blockflöte) bilden den Rahmen für Arien aus dem Kantatenwerk mit Blockflötenbegleitungund die berühmte Solokantate "Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust" für Altstimme. Dorothee Oberlinger ergänzt die instrumentale Werkauswahl mit einerBearbeitung des Cembalokonzerts f-moll 1056 für die Forthflute.

DorotheeOberlinger ist Leiterin des Instituts für Alte Musik am Mozarteum Salzburg,Telemann-Botschafterin und designierte Intendantin der PotsdamerMusikfestspiele. Als Spezialistin für das barocke Repertoire leitet diedreifache ECHO-Klassik Preisträgerin das 2002 von ihr gegründeteOriginalklang-Ensemble 1700 und widmet sich in Konzerten, Einspielungen undOpernaufführungen der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts.

Produkt-Nr.:88985428392

Im Handel ab: 3. November.2017

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Eine Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk

Werke Johanns Sebastian Bachs für dieAltstimme und den „flauto dolce“ stellen sowohl den Grundstock als auch das verbindende Element der Werkauswahl für die hier vorliegende Einspielung dar.Von den in der Widmung als „kleine Gaben des Himmels“ („petits talents que leCiel m’a donnés“) bezeichneten Brandenburgischen Konzerten (Six Concerts Avecplusieurs Instruments) bilden hier das zweite und vierte den Rahmen für Arienund Choräle aus dem geistlichen Kantatenwerk.

Zur Eröffnung erklingt die Arie aus derKantate „Jesus schläft, was soll ich hoffen?“ BWV 81 für den vierten Sonntagnach Epiphanie. Das in Bachs früher Leipziger Zeit entstandene und am 30.Januar 1724 erstaufgeführte Werk steht in direktem Bezug zum Evangelium desTages, das von der Stillung des Sturmes handelt: Während Jesus schläft, gerätdas Schiff, auf dem er sich mit seinen Jüngern befindet, in einen Sturm.Nachdem Jesus von den verängstigten Jünger geweckt wird, tadelt er sie ob ihresgeringen Glaubens und beruhigt den Sturm. Text und Musik thematisieren dieAngst der Jünger im Angesicht des Sturmes einerseits und ihres schlafendenHerren andererseits: „Jesus schläft, was soll ich hoffen? Seh ich nicht / Miterblaßtem Angesicht / Schon des Todes Abgrund offen?“

Die Brandenburgischen Konzerte widmete Bach1721 dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt (1677–1734), einemjüngeren Stiefbruder von König Friedrich I. von Preußen. Das zweite und dasvierte Konzert dürften die beiden jüngsten der Sammlung sein und entstandenwohl um 1720 in Köthen. Das zweite Brandenburgische Konzert BWV 1047 stellt demStreichorchester einen Apparat von vier konzertierenden Soloinstrumenten(Trompete, Oboe, Blockflöte, Violine) gegenüber. Eine vorausgegangeneFrühfassung mit diesen Soloinstrumenten und Basso Continuo, aber ohneorchestrale Streicherbegleitung (Ripienstreicher) wird bei diesem Konzertvermutet. Das Andante des zweiten Brandenburgischen Konzerts ist ein Dialogzwischen Violine, Oboe und Blockflöte über einem ostinatohaften Basso Continuo.Eine klangliche Abweichung gegenüber den beiden Außensätzen entsteht dadurch,dass die Trompete in diesem Satz schweigt, während ihre Partie in den übrigenSätzen anspruchsvoll ist.

Im vierten Brandenburgischen Konzert BWV 1049werden das Streichorchester und die Solovioline mit zwei Soloblockflöten, dievon Bach ungewöhnlicherweise als „Flauti d’echo“ bezeichnet wurden,kontrastierend eingesetzt. Die helle Tonart G-Dur klingt offen und „brillirtdabei auch nicht wenig und ist so wol zu serieusen als munteren Dingen gargeschickt“ (Mattheson). Die Blockflöten werden bei Bach häufig „a due“eingesetzt und im Unisono geführt, auch aus Gründen der Lautstärke. Dieserfordert sehr gut aufeinander eingespielte Flötisten.

Die Bedeutung der Bezeichnung „Flauti d’echo“im Mittelsatz des vierten Konzerts, einer an eine französische Schlafszene(Sommeil), wie sie von Jean-Baptiste Lully begründet wurde, erinnerndeSarabande mit fließenden Seufzerfiguren, ist nicht ganz geklärt. Für mancheEinspielungen des Werkes wurden sogar Doppelflöten mit unterschiedlicherLautstärke (nach Vorbildern aus dem 18. Jahrhundert) nachgebaut, um eine Echowirkungzu erzielen. Der klangliche Effekt, den Bach hervorrufen wollte, warmöglicherweise an ein Echoregister der Orgel angelehnt, bei dem ein leiseresRegister eines Nebenwerkes erklingt. Auf diese Weise kommt es zu einemKlangunterschied, der auch durch eine unterschiedliche räumliche Lage gestütztwird. Die Lautstärkenunterschiede sind ebenso auch in der Kompositionbegründet, bei der durch den Wechsel von Soloepisode (mit zwei Blockflöten undVioline) und Tutti eine große dynamische Abstufung erzielt wird. Vielfach wurdeauch die Annahme ausgesprochen, dass die Flöten in diesem Satz den Wettstreitdes Gottes Pan gegen den Apoll (symbolisiert durch die Violine)versinnbildlichen.

Beide Konzerte sind, typisch für die barockeKonzertform, dreisätzig angelegt, mit Ecksätzen in der jeweiligen Grundtonart(wobei der erste Satz hinsichtlich des Umfangs dominiert) und einem Mittelsatzin der kontrastierenden parallelen Molltonart. Eine weitere Gemeinsamkeit ist,dass der Schlusssatz in beiden Konzerten je ein mit ausgedehnten Soloepisodendurchsetztes Fugato (zweites Brandenburgische Konzert) bzw. eine Fuge (viertesBrandenburgisches Konzert) darstellt und so die Fugenform mit der im barockenInstrumentalkonzert typischen Ritornellform, die auf dem Wechsel zwischenOrchesterritornell und kontrastierenden Soloepisoden beruht, verknüpft. Typischfür die Instrumentalkonzerte Bachs – gerade im Unterschied zu den italienischenVorbildern z.B. bei Arcangelo Corelli oder Antonio Vivaldi – ist außerdem diegut hörbare, allmähliche Verwischung zwischen Soloepisoden und Ritornellen:Gerne lässt Bach innerhalb der reduzierten, von den Soloinstrumentendominierten Episoden allmählich weitere Instrumente hinzutreten, bis nachzunehmender Verdichtung des musikalischen Geschehens zuletzt wieder das ganzeOrchester spielt.

Das vierte Brandenburgische Konzert arbeiteteBach später während seiner Leipziger Zeit zu einem Cembalokonzert (BWV 1057) umund transponierte es nach F-Dur, wobei das Solocembalo dort die ursprünglicheSolovioline ersetzte. Damit erlebte es eine Adaption für das 1701 von GeorgPhilipp Telemann gegründete und 1729 von Bach übernommene Collegium Musicum,einer wöchentlichen Zusammenkunft von Musikern und Musikliebhabern zum Zweckdes gemeinsamen öffentlichen Musizierens.

Für die Arbeit mit dem Collegium Musicumentstanden auch die Bach’schen Cembalokonzerte (für eines sowie auch jene fürmehrere Cembali mit Orchester). Für die vorliegende Aufnahme wurde es für eineForthflute in B bearbeitet, so dass die Originaltonart f-Moll beibehaltenwerden konnte. Die meisten dieser Konzerte sind keine originalen KompositionenBachs, sondern basieren auf früheren Werken mit ganz anderen Soloinstrumenten.Bei den Ecksätzen des Cembalokonzerts in f-Moll BWV 1056 vermutet man alsGrundlage ein nicht überliefertes, um einen Ganzton höher transponiertesViolinkonzert, während man beim Mittelsatz dieses Konzerts, dessen Anfangübrigens mit dem langsamen Beginn eines älteren und womöglich als Vorlageherangezogenen Flötenkonzerts in G-Dur (TWV 51:G2) von Georg Philipp Telemannübereinstimmt, ein nicht überliefertes Solokonzert mit Oboe d’amore alsSoloinstrument als originales Werk annimmt. Darüber hinaus stimmt dieses Largoebenfalls weitgehend überein mit dem instrumentalen Einleitungssatz von BachsKantate BWV 156 („Ich steh mit einem Fuß im Grabe“) aus dem Jahr 1729.

Die Solokantate „Vergnügte Ruh, beliebteSeelenlust“ BWV 170 entstand für den 6.Sonntag nach Trinitatis und wurde am 28.Juli 1726 erstmals aufgeführt. Der Dichter Georg Christian Lehms (1684–1717),Hofbibliothekar und Hofpoet in Darmstadt, der für mehrere Kantaten Bachs dieTextvorlage lieferte (darunter auch für die Kantate „Meine Seufzer, meineTränen“ BWV 13), beklagt im Text das sündhafte irdische Leben, die Irrwege derverkehrten Herzen und wünscht, am Ende in die Ruhe durch die Vereinigung mitGott einkehren zu können. Während die von Ritornellen umrahmte, pastoraleEingangsarie in mild glänzendem D-Dur gehalten ist, ist die zweite Arie („Wiejammern mich doch die verkehrten Herzen, die dir, mein Gott, so sehr zuwidersein“) überraschend ohne Generalbass-Stimme gehalten und entbehrt damit des(nach Bachs eigenen Aussage) „vollkommenste[n] Fundament[s] der Musik“, dessenFehlen „keine eigentliche Musik, sondern ein teufflisch Geplärr und Geleyer“ergebe. Dadurch stellt Bach eine symbolische Verbindung zwischen derInstrumentation der Arie und der Textaussage der Kantate her, in welcher dieAbwendung der Menschen von Gott als dem Fundament allen Lebens als teuflischbeklagt wird (so im Rezitativ: „Die Welt, das Sündenhaus, bricht nur inHöllenlieder aus…“). In dieser Einspielung wurde die obligate zweistimmigeOrgelpartie durch zwei Blocklöten ersetzt. Die Schlussarie „Mir ekelt mehr zuleben“ besingt die Abkehr vom sündhaften irdischen Leben und schmückt dieTextstelle „mir ekelt“ mit einem markanten dissonanten Tritonussprungtonmalerisch aus. Bach setzt in der hier eingespielten Spätfassung eine Flöteals Soloinstrument ein, in der Frühfassung wird diese Solostimme von der Orgelgespielt.

Die bereits in Weimar komponierte und am 25.März 1714 in der Schlosskapelle erstaufgeführte Palmsonntags-Kantate„Himmelskönig, sei willkommen“ BWV 182 ist eine der frühesten KirchenkantatenBachs und entstand im Zusammenhang mit seiner im März 1714 neu erworbenenFunktion als „Konzertmeister“, die mit der Verpflichtung einherging, monatlicheine Kantate zu komponieren. Das Werk thematisiert in Text und Musik (durchpunktierte Figuren, die einen trabenden Gang nachahmen) den Einzug Jesu aufeinem Esel nach Jerusalem, der symbolisch mit dem Einzug in die Herzen derGläubigen in Beziehung gesetzt wird. Der von Bach ursprünglich als „Sonate“betitelte instrumentale Eingangssatz ist ein fünfstimmig ausinstrumentierterTrio-Satz für Soloflöte, Solovioline und Streichorchester.

Auch die Arie „Leget euch dem Heiland unter“ist, wie bei Bach sehr häufig, als Trio zwischen Gesang, Soloblockflöte undBasso Continuo. angelegt. Die Tonart e-Moll stellt einen „Affect der Liebe,Zärtlichkeit, Schmeicheley, Traurigkeit“ (Quantz) dar. Die mit einem melodischabwärtsführenden Motiv eine Geste des Verbeugens nachzeichnende Melodik derArie wird von einem pulsierenden Basso Continuo getragen. Als eine Art „petitReprise“ erklingt nach der Arie in dieser Einspielung nochmals das Ende desEröffnungssatzes.

Die Kantate „Preise, Jerusalem, den Herrn“ BWV119 ist eine Ratswahlkantate, ein Werk, das Bach für einen Festgottesdienst zumAnlass der Eröffnung des Amtsjahres eines neu eingesetzten Stadtrats komponierthat. Die Kantate wurde am 30. August 1723, nur wenige Monate nach dem Antrittder Stelle als Thomaskantor, in der Leipziger Nikolaikirche uraufgeführt. DieArie „Die Obrigkeit ist Gottes Gabe“ steht ganz in der Mitte des neunsätzigenWerkes und ist als einzige der Kantate in Moll gehalten. Tatsächlich handelt essich auch bei diesem Stück um einen typischen Trio-Satz, bei dem der Gesang,die von zwei Blockflöten im Unisono gespielte und mit markanten Staccativersehene zweite Stimme und der Generalbass je eine von drei voneinanderunabhängig geführten Stimmen darstellen. Die Frage, ob die Staccati einensubtilen Spott vor dem Hintergrund der Textstelle „Die Obrigkeit ist GottesGabe, ja selber Gottes Ebenbild“ ausdrücken wollen, wird kontrovers diskutiert.

Der bekannte Schlusschoral „Jesus bleibetmeine Freude“ (die Strophe Nr. 17 aus Martin Jahns Choral „Jesus meiner SeeleWonne“) aus der Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ BWV 147 gehört mitseiner triolischen Streicherbegleitung zu den international beliebtestenKompositionen Bachs und wurde vielfach arrangiert und umgearbeitet, sogar zu Popversionen.

(Dorothee Oberlinger)